P R E S S E E R K L Ä R U N GDer frühe Samstagmorgen des 7. Oktober markiert eine historische Zäsur: Terroristen der Hamas beschossen Israel mit unzähligen Raketen, griffen in Terrortrupps das Land an. Aus den Berichten der Presse haben wir erfahren müssen, dass es zahlreiche Tote gibt, sehr viele Verletzte, Berichte von Verschleppungen. Damit nicht genug: In ihrem furchtbaren Zynismus präsentieren die Terroristen der Hamas ihre Opfer und laden Bilder davon in soziale Netzwerke hoch. All dies ist für uns unfassbar! Die Grausamkeit und Brutalität des hasserfüllten Angriffs der Hamas ist auf das schärfste zu verurteilen. Die Gewalt der palästinensischen Terroristen wird zu nichts Gutem führen, sondern eine brandgefährliche Spirale der Gewalt in Bewegung setzen, der auch auf der palästinensischen Seite unschuldige Menschen zum Opfer fallen, auch weil Israel geradezu gezwungen ist, mit militärischer Härte zurückzuschlagen. Wir können im Moment nicht viel tun, außer uns solidarisch zu zeigen mit den Menschen in Israel. Wir stehen fest an der Seite Israels, unsere Gedanken, Herzen und Gebete sind beim jüdischen Volk, bei unseren Partnern in der Stadt Jokneam und der Region Mateh Yehuda, bei Freunden und Verwandten und den Angehörigen der Opfer; besonders bei den Geiseln und ihren Angehörigen. Aber auch an die Menschen hier in Oberberg sollten wir denken: Menschen, die vielleicht Verbindungen nach Israel haben, sei es, dass sie Freundschaft geschlossen haben bei einem Austausch oder Besuch in Israel; sei es, dass sie auch Jüdinnen und Juden sind und Angst haben um Verwandte und Bekannte in Israel, sei es, dass sie von der unglaublichen Rohheit und Brutalität der Terrorakte verängstigt sind. Lassen Sie uns aber auch ein deutliches Zeichen bei uns in Deutschland setzen, wenn Menschen in Verblendung und Fanatismus die Angriffe der Terroristen gutheißen und begrüßen. Lassen Sie uns dann zusammenstehen und diesen Menschen deutlich zeigen, dass Antisemitismus und Menschenfeindlichkeit hier keine Chance haben. Marion Reinecke, Vorsitzende Freundeskreis Nürmbrecht/Mateh Yehuda Frank Bohlscheid, Vorsitzender Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Judith Dürr-Steinhart, Vorsitzende Freundeskreis Wiehl/Jokneam |
Warum eine christlich-jüdische Gesellschaft im und für den Oberbergischen Kreis?
„Hitler-Land“: So nannten die Nazis das Gebiet zwischen Agger, Wiehl, Bröl und Sieg schon nach den Reichstagswahlen am 14. September 1930. Gerade im südlichen Teil des heutigen Oberbergischen Kreises erzielte die NSDAP früh größte Erfolge.
Bei der Suche nach den Ursachen dieser überdurchschnittlichen Zustimmung der Bevölkerung zu den Nazis spielt neben der wirtschaftlichen („Hafer-Spanien“), sozio-kulturellen und religiösen Situation besonders das Wirken von Dr. Robert Ley eine Rolle. Ley (1890 – 1945) war Reichsorganisationsleiter der NSDAP und Leiter der Deutschen Arbeitsfront, ein Paladin Hitlers. Im Oberbergischen, in Niederbreidenbach bei Nümbrecht, geboren und mit der christlich-pietistischen Grundhaltung vieler hier verwurzelter Menschen bestens vertraut, verstand er es in seinen Reden, durch christlich geprägten Sprachgebrauch große Zustimmung vor allem bei der evangelischen Bevölkerung zu erreichen, zumal sich die NS-Bewegung zunächst als „Protektor des Christentums“ gerierte und den Begriff des „positiven Christentums“ im Parteiprogramm führte. Eine nicht geringe Zahl evangelischer Pfarrer unterstützte dies zumindest zu Beginn, zumal ihnen die bis 1918 aktuelle Verbindung von Thron und Altar näher lag als das politische System der Weimarer Demokratie.
Die einzige jüdische Gemeinde im heutigen Oberbergischen Kreis mit zuletzt rund 35 Mitgliedern hatte ihren Sitz in Nümbrecht. Ihre Mitglieder wohnten im Wesentlichen in Nümbrecht und Waldbröl. Der Abriss ihrer Synagoge nach Kauf durch die Kommune im Sommer 1938 beendete nach 200 Jahren jüdische Gemeindeexistenz im Kreis. Sofern nicht geflohen oder schon inhaftiert wurden die letzten im Oberbergischen lebenden Juden ab 1942 deportiert und in den Vernichtungslagern ermordet.
Die nächsten jüdischen Gemeinden befinden sich heute in den Großräumen Bonn, Köln und Wuppertal.
Die Oberbergische Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit weiß von der historischen Schuld und stellt sich der bleibenden Verantwortung angesichts der in Deutschland und Europa von Deutschen und in deutschem Namen betriebenen Vernichtung jüdischen Lebens. Sie sieht ihre Legitimation nicht zuletzt in der spezifischen NS-Geschichte dieser Region. Die schwierige Differenzierung zwischen Tätern, Mitläufern, Verführten und Verführern mag ein Zeitzeuge vornehmen, der völlig unbelastete erste Nachkriegs-Landrat dieses Kreises und spätere Bundestagsabgeordnete Dr. August Dresbach:
„Ich hatte mir unendliche Mühe gegeben, Welt und Menschen kennenzulernen, und dieses Weltbild entsprach nicht dem des Herrn Hitler. So sehr ich sonst, allerdings in der Demokratie, für den Kompromiss bin, in diesem Falle gab es das nicht. Aber ich bin nicht geneigt, über all die politisch ungeschulten Menschen den Stab zu brechen, die damals glaubten, es sei eine neuere und bessere Welt erstanden. Der Fluch gilt allerdings den politisch Wissenden, die sich diesem System zur Verfügung gestellt haben, …, weil sie eine persönliche Förderung, eine Karriere, davon erhofften. Nicht fluchen aber kann ich den Kindern und jungen Menschen jener Zeit.“
(Dresbach, August, „Glaube, Hoffnung, Liebe“, 23. 9. 1946, Rede vor der CDU Gummersbach)
Gerechtfertigt ist die Existenz dieser Gesellschaft aber auch angesichts der heraufziehenden aktuellen Bedrohungen unserer freiheitlich-demokratischen Gesellschafts- und Rechtsordnung. So dient sie der Erinnerung an dieses „Gebirge menschlichen Leids“ (Richard von Weizsäcker) und der Mahnung zugleich.
Die aus einer alten Scheune zu einem Gotteshaus umgebaute Synagoge
in Nümbrecht, 1828 - 1938